I. Begriff
Den Begriff Gender führte der US-amerikanische Psychologe John Money 1955 zur Beschreibung von Menschen ein, die eine eindeutige Geschlechtsidentität ohne eindeutiges körperliches Geschlecht ausgeprägt hatten. Die daran anschließende Unterscheidung zwischen sozialem Geschlecht (Gender) und biologischem Geschlecht (Sex) wurde in den Kulturwissenschaften ab den 1990er Jahren aufgegriffen: Die Einsicht, daß Geschlechterunterschiede auf biologischen Gegebenheiten basieren, aber auch von gesellschaftlich bedingten und historisch sich verändernden Rollenvorstellungen und -bildern überhaupt erst ausgebildet werden, führte zur Ablösung des älteren Begriffs Frauenforschung (s. unter II.) durch die Bezeichnung Gender Studies. Da die im Englischen mögliche Differenzierung zwischen Gender und Sex in der deutschen Sprache nicht möglich ist, setzte sich auch im deutschsprachigen Raum der Begriff Gender, bzw. Gender Studies durch.
Die Gender-Perspektive, die sich auf die historisch wechselnde kulturelle Konstruktion von Geschlecht richtet, zielt darauf, gesellschaftlich geprägte Geschlechterrollen wahrzunehmen, Geschlechterunterschiede zu verstehen und im Sinne eines wissenschaftskritischen Ansatzes Wahrnehmung und Geschlechterrollen zu verändern (s. unter V.). Gender als das kulturell erworbene und geprägte Geschlecht, das mit Rollenzuweisungen untrennbar verknüpft ist, ist inzwischen eine zentrale historisch-soziale Kategorie, die einen wissenschaftlichen Diskurs...