A. Definitionen
Unter Parodie (von griech. παρῳδία, Neben- oder besser Gegengesang) versteht die Musikwissenschaft im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch und zur Terminologie anderer Geisteswissenschaften nicht die komische Veränderung geistiger Aussagen unter Wahrung der ursprünglichen Aussageform, sondern die ernste, umbildende und weiterführende Anknüpfung an eine geprägte Aussage, d. h. die umformende Nachahmung eines musikalischen Kunstwerkes in einem anderen musikalischen Werk-, zumeist auch Gattungszusammenhang, bei der die musikalische Substanz erhalten bleibt, die musikalische Gestalt aber teilweise neugeprägt wird.
Die musikwissenschaftliche Begriffsbildung nähert sich damit stärker als der übliche Sprachgebrauch der ursprünglichen antiken Terminologie, in der am Ende des 5. Jh. parodia offenbar die Auflösung der μουσική in Literatur und Musik im modernen Sinn der Begriffe, also die Lösung der Musik vom Wort, die Übertragbarkeit von Melodien und die Komposition von Melodien nach älteren Vorbildern bezeichnet (der deutlichste literarische Beleg bei Quintilian, 9,2, 35: »quod nomen ductum a canticis ad aliorum [ canticorum ] similitudinem modulatis«). Die Begriffsbildung im Sinne der komischen Parodie ist demgegenüber sekundär.
Dieser musikwissenschaftlichen Definition entspricht die Parodiekunst des 15. und 16. Jahrhunderts. Für die spätere Zeit wird Parodie in allgemeinerem Sinne verstanden und umfaßt dann auch einen Teil jener Techniken,...