I. Spekulative Traditionen
Seit der Spätantike tauchen im alchemischen Schrifttum vereinzelt musiktheoretische Spekulationen auf. In pythagoreischer Sicht liefert die Harmonielehre ein Analogon für das Verhältnis der wenigen Elemente zur Vielzahl der Stoffe und Umwandlungsprozesse und verweist so auf verborgene Strukturen der Wirklichkeit, deren Kenntnis den Adepten zum Handeln befähigen soll. Im 15. Jh. greift Thomas Nortons Ordinal of Alchemy (1477) die Tradition auf und rät, zur Herstellung der alchemischen Tinktur die Elemente »arithmetically« und »musically« zu verbinden. Hier wird das Wesen des Seins in harmonischen Proportionen begriffen, wie sie sich durch ganzzahlige Längenverhältnisse schwingender Saiten darstellen lassen. Mit R. Fludd, Joh. Kepler und A. Kircher erreicht diese Tradition in der 1. Hälfte des 17. Jh. ihren Höhepunkt, bleibt aber im Metaphorisch-Analogischen stehen, ohne je in eine wirkliche Materielehre oder Theorie des chemischen Prozesses zu führen. Zeitgleich erscheint das Thema in der Emblematik, zuerst in Heinrich Khunraths Amphitheatrum sapientiae (Hbg. 1595), dann auf Titelbildern hermetisch-alchemischer Schriften. Zentrale Motive sind die Siebenzahl von Planeten, Metallen und Tönen, die Idee der Harmonie als Grundstruktur der Körperwelt, schließlich das Phänomen der Resonanz als Beleg für sympathetische Fernwirkungen in der Natur.
Ein zweiter, frühneuzeitlicher Traditionsstrang...