I. Die vokale Brunette
1. Zum Terminus
Die Brunette ist eine kleine Komposition für ein bis drei Singstimmen, mit oder ohne instrumentale Begleitung. Ihre Texte gehören zwei Traditionen an: zum einen der pastoralen Liebesdichtung in der Nachfolge von Honoré d’Urfés Schäferroman L’Astrée (5 Tle., P. 1607-1627; mehrfach zitiert in Ballards bekannter Slg. Brunetes ou airs tendres, avec les doubles et la basse continue, 3 Bde., P. 1703, 1704, 1711, z.B. »Ah! quand reviendra-t-il ce temps d’Astrée;« Bd. 3, S. 4), der auf italienischen, spanischen und französischen Modellen basierenden ›hohen Schule der Galanterie‹, zum anderen der realistischen Galanterie der populären gallischen Tradition, charakterisiert durch die Leichtfertigkeit und Unbeständigkeit der Liebe. Neben der Liebe ist das friedliche ländliche Leben im Kontrast zu jenem des Hofes und der Stadt das wichtigste Thema (Abb. 1).
Abb. 1: Titelkupfer von S. Le Clerc le fils zu Chr. Ballard (Hrsg.), Brunetes, Bd. 2, P. 1704
Die Brunette als Sonderform der Chanson war besonders in der ersten Hälfte des...