I. Geschichte der Musikpsychologie 1. Anfänge Seit der griechischen Antike gibt es Belege für das Bestreben, die Wirkungen von Musik auf die menschliche Psyche jenseits magisch-ritueller oder astrologisch-metaphysischer Hypothesen zu erklären und beschreiben. Pythagoras und seine Schüler gingen davon aus, daß sich die Wirkung aller Erscheinungen durch Zahlenverhältnisse begründen läßt. Sie verwiesen auf den direkten Zusammenhang zwischen Saitenlänge und Tonempfindung und postulierten eine Übereinstimmung zwischen einfachen Intervallverhältnissen und der Wahrnehmung von Konsonanz: Durch wohlproportionierte Musik schwinge die Seele im Gleichmaß mit. Darum könne, wie es Platon in seiner Ideenlehre beschrieb, harmonische Musik als proportionales Abbild der Weltenordnung zur Aufrechterhaltung bzw. Herstellung von psychophysischer Ausgeglichenheit im Menschen wichtige erzieherische und therapeutische Funktionen ausüben. Der in Alexandrien wirkende Arzt Herophilos (um 300 v. Chr.) erweiterte diesen Ansatz zu einer musikalisch-metrischen Pulslehre, die über das Mittelalter und die Scholastiker bis in die Neuzeit hinein weiterwirkte (s. W. F. Kümmel 1977, S. 23ff.). Auf Kritik stieß diese Theorie einer Strukturanalogie zwischen Musik und rezipierendem Subjekt auf der Grundlage einfacher Zahlenverhältnisse bei Aristoteles, weil sie empirisch nicht belegbar sei: Er verstand die Seele als zentrale Substanz, die menschliches Empfinden, Verhalten und Handeln...