I. Einleitung
In der modernen Kulturgeschichte bezieht sich der Terminus indisch nicht nur auf den heutigen, 1947 gegründeten Staat Indien, sondern auf einen ganzen Subkontinent, der außer Indien Länder umfaßt wie Pakistan, Afghanistan, Tibet, Nepal, Sikkim, Bhutan, Assam, Bangla Desh und Sri Lanka, die Tausende von Jahren mit Indien verbunden waren. In der Konfrontation dieser Völker, die eine Vielfalt von Sprachen entwickelten, fand durch Migration, Krieg, Handel, Entdeckungsreisen und Pilgerfahrten ein ständiger Gedankenaustausch statt, der auch die Musikgeschichte geprägt hat. Eine Vielfalt musikalischer Stile und Formen entstand unter dem Einfluß verschiedener polititisch-sozialer und religiöser Bewegungen. Um diese Entwicklungen richtig zu verstehen, muß man die Musikgeschichte des indischen Subkontinents im Zusammenhang mit der Geschichte der Politik, Religion, Archäologie, bildenden Kunst und Literatur betrachten.
Indien hat eine reiche mw. Literatur hervorgebracht. Die vielen, meist in Sanskrit und teilweise in Tamil, Hindī und Persisch verfaßten Traktate enthalten fast alle eine systematische Beschreibung der Musiktheorie. Der Stil ist leider abstrahierend, öfters auch archaisierend, und deshalb nicht sehr aufschlußreich für die zeitgenössische Aufführungspraxis. Die theoretischen Konzepte Tonsystem (grāma), Modus (jāti), Melodietypus (rāga), Rhythmus (tāla), Komposition (prabandha) usw. werden erst...