I. Antike1. Etymologie und Bedeutung des BegriffsZwei bereits antike Etymologien von ὕμνος sind sprachwissenschaftlich unhaltbar: die Ableitung von ὑφαίνω »weben« (Bakchylides 5, Vs. 9f.; 19, Vs. 8) und von ὕδω ὑδέω »singen« (Proklos 38, S. 42 Severyns 1938). Näher liegt es, ὕμνος mit ὑμήν »Membran« (davon ὑμήν »Hochzeitsruf«, ὑμήναιος »Hochzeitslied«) zusammenzubringen, und zwar in der aus dem Altindischen zu erschließenden Bedeutung »Band, Riemen, Naht«; ὕμνος wäre dann ein »Gefüge« (H. Frisk 1966 zu ὑμήν 1/2 und ὕμνος).Bei seinem ersten Auftreten (Odyssee, Buch 8, Vs. 429) bedeutet ὕμνος lediglich das Lied des epischen Sängers, das durch ein Prooimion auf einen Gott eingeleitet wird: Der Aoide Demodokos singt von dem Kampf der Achäer um Troia (8, 489f.) und darauf, auf Wunsch des Odysseus, vom hölzernen Pferd vor Troia (8, 492ff.). Dabei beginnt er mit einem Anruf des Gottes und läßt den epischen Gesang folgen (»ὁ δ’ ὁϱμηθεὶς θεοῦ ἤϱχετο, φαῖνε δ’ ἀοιδήν«; 8, 499). Genauso leitet Hesiod...