A. Musikpsychologische AspekteI. EinleitungDas Zeiterleben während des Musikhörens bzw. Musizierens läßt sich unter drei Hauptaspekten untersuchen: 1. empfundene Dauer, 2. Gliederung der Zeitstrecke durch wahrgenommene bzw. produzierte Ereignisse und 3. Geschwindigkeit der Abfolge dieser Ereignisse (Tempo). Untersuchungen haben ergeben, daß die drei Aspekte nicht völlig unabhängig voneinander sind, sondern z. B. die empfundene Dauer unter anderem von den Ereignissen abhängt, die in der betreffenden Zeitstrecke auftreten, oder das für eine Komposition bevorzugte Tempo zumindest z. T. von ihrer rhythmischen Struktur determiniert wird. Eine die verschiedenen Aspekte vereinende Frage ist, ob der Mensch über eine Art Zeitsinn verfügt, der es ihm ermöglicht, Zeit auf irgendeine Weise zu messen. Die hohe Genauigkeit, mit der z. B. Instrumentalisten die Interpretation eines Musikwerkes reproduzieren können, spricht für eine solche innere ›Uhr‹. Auch die Bindung bestimmter elementarer Zeiterlebnisse (Gleichzeitigkeit, Ungleichzeitigkeit, Aufeinanderfolge und Gegenwart) an konstante physikalische Zeitbereiche stützt die Vermutung biologischer Wurzeln des Zeitempfindens. So werden akustische Ereignisse nicht mehr als gleichzeitig empfunden, wenn sie ca. 3–5 Millisekunden auseinanderliegen. In welcher Aufeinanderfolge die Ereignisse auftreten, kann jedoch erst ab einem Abstand von ca. 30–50 Millisekunden erkannt werden. Dieser Schwellenwert für zeitliche Ordnung gilt für alle Sinnesmodalitäten. Das Erleben von Gegenwart beruht auf einer speziellen...