I. Einleitung Um die Eigenart der armenischen Kirchenmusik zu erfassen, erweist es sich als unumgänglich, kirchengeschichtliche Komponenten zu berücksichtigen. Die offizielle Bekehrung des armen. Königreiches zum Christentum um 301 unter König Tiridates III. war das Ergebnis eines langen Prozesses, an dem in der ersten Phase syrische Glaubensverkünder eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Sowohl die Geschichte der armen. Bibelübersetzung als auch eine Untersuchung des armen. christlichen Wortschatzes liefert in bezug auf religiös-kulturelle Stränge wichtige Anhaltspunkte. Unzweifelhaft ist, daß die erste, um die Wende vom 4. zum 5. Jh. aus dem Syrischen angefertigte Übersetzung der Heiligen Schrift kurz danach einer Revision unter Heranziehung der griech. Originaltexte nach der Tradition der kappadokischen Kirche unterzogen wurde. Bereits vorher, vor der Erfindung des armen. Alphabets durch Mesrop-Maštocʿ im letzten Jahrzehnt des 4. Jh., stand die armen. Christenheit sehr stark unter persischem Einfluß, wie die zahlreichen religiösen Begriffe parthischer Herkunft im Armenischen offenkundig belegen. Dieser persische Einfluß wurde in den östlichen Provinzen noch verstärkt nach der Teilung des Landes zwischen Byzanz und dem sassanidischen Persien in den Jahren 384/389. Daß bei der Errichtung einer eigenen kirchlichen Hierarchie ab dem hl. Gregor dem Erleuchter (Lusavoričʿ) am Anfang des 4. Jh. keines der...