I. Einleitung1. GeschichteDer Gallikanische Gesang gehört zu den Repertoires lateinischer Liturgie des MA. und definiert den Ritus sowie die liturgische Musik des fränkischen Gallien (5. bis 8. Jh. und Spuren in späterer Zeit) bis zur Einführung des ›Römischen‹ (= Gregorianischen) Gesangs durch die Karolinger im 8. Jahrhundert. Die Bezeichnung gallikanisch schließt mehrere, auf denselben Ursprung zurückgehende Repertoires ein, von denen jedes seine spezifischen Eigentümlichkeiten besitzt. Die verschiedenen gallikanischen Gebiete entsprechen dabei etwa den früheren Teilgebieten des Römischen Reiches. Septimanien und die Gallia Narbonensis mit Narbonne und Toulouse zeigen eine Verwandtschaft mit dem mozarabischen Ritus, während der Bezirk von Lyon und die Provence ihren Einfluß von Lyon und Arles bis Autun und sogar über einen Teil Ostgalliens ausbreiten. Tours hingegen war der große Mittelpunkt im Landesinneren und des Westens.Einer der frühesten Belege für den Gallikanischen Gesang stammt von Papst Innozenz I. (401-417). In einem Brief an Bischof Decentius von Gubbio aus dem Jahr 416 (MPL 56, Sp. 513) weist er auf die Unterschiede zwischen der römischen und den anderen lateinischen Liturgien hin. Diese Unterschiede sind im einzelnen jedoch aus mehreren Gründen schwer zu bestimmen.Bis zur karolingischen Reform blieben sowohl der liturgische...