I. Zur Begriffs- und ForschungsgeschichteWenn Humanisten des 14. und 15. Jh. ihre Gegenwart als Zeit beschrieben, in der das Ideal der klassischen Antike wieder gefunden wurde, brauchten sie gelegentlich einen Begriff für ›die Zeit dazwischen‹, für das ›mittlere Zeitalter‹. Im lateinischen Sprachgebrauch der Zeit nannte man dieses Zeitalter medium aevum oder auch media aetas. Allerdings wird der Zeitraum erst in der Historia tripartita von Christoph Cellarius (1688) als Mittelglied einer dreigeteilten Universalgeschichte benutzt, in der das MA. die durch Antike und Neuzeit gesetzten Pole verbindet. Soweit dieses Dreierschema die gepriesene Antike zur Gegenwart ins Verhältnis setzte, war das ›mittlere Zeitalter‹ bis ins 20. Jh. hinein immer wieder besetzt mit der Vorstellung eines barbarischen Zeitraums, in dem der nötige Sachverstand fehlte, um das antike Erbe zu würdigen. Daß im MA. Latein zur »Vatersprache« (Wolfram von den Steinen) wurde, in der Persönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Muttersprachen aus ganz Europa schriftlich wie mündlich zu kommunizieren wußten, war damals noch ebensowenig ein Kriterium wie die Tatsache der sprachlichen Entwicklung vom Lateinischen zur Vielfalt der romanischen Sprachen.Die gelegentlich intensiven Diskussionen der Geschichtsschreibung um die räumliche Ausdehnung des MA. wie die...